Im Rahmen des 50-ährigen Jubiläums der ersten Generation philippinischer Pflegekräfte, wurden am 28.09.2024 im Wiener Rathaus alle im Jahr 1974 von Philippinen angereisten Pflegekräfte geehrt. Datenkompass war dabei, um im Dialog mit Zeitzeugin Maria Dioscora De Villa Orense aus erster Hand zu erfahren, was kultursensible Zusammenarbeit in der Pflege wirklich ausmacht.
Sie sind seit 50 Jahren in Österreich: Was waren Ihre ersten Eindrücke?
Ich bin am 16. Juli 1974 von Philippinen nach Österreich gekommen. Mein erster Eindruck in Wien war, dass es eine Stadt voller Liebe, eine Stadt voller Blumen, eine Stadt voller Freundlichkeit, eine Stadt, wo sich Menschen gegenseitig mit Respekt begegnen und vor allem eine Stadt von Sauberkeit ist. Ich erinnere mich an einen Zustand der Angst sowie eine gewisse Nervosität gepaart mit einer gesunden Neugier. Da ich katholisch aufgewachsen bin und eine christliche Erziehung genossen habe, hat mir der Gedanke an Gott geholfen, um einen gewissen Schutz zu haben. Zusätzlich haben meine Eltern aus der Ferne eine große Rolle gespielt, die mir Kraft und Zuspruch gaben.
Wie wurden Sie damals vom Team in Ihrer Arbeitsstelle aufgenommen?
An meinem ersten Arbeitstag im Wilhelminenspital wurde ich sehr freundlich aufgenommen. Ich habe den Eindruck gehabt, dass das vor Ort angetroffene Personal bereits informiert war und demnach sehr geduldig mit viel Respekt, ganz liebevoll mit uns umgegangen sind. Allgemein kann man sagen, dass ich das warme Gefühl verspürt habe, herzlich willkommen zu sein. Das Team hat mich sozusagen in die berufliche Familie aufgenommen.
Und wie haben die zu pflegenden Menschen reagiert?
Die Sprachbarriere war eingangs nicht das größte Problem, da wir mittels Körpersprache, Deutungen sowie nonverbale Kommunikation stets einen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Nach dem Motto „learning by doing“. In diesem Sinne fällt mir gerade ein, dass die Begrüßung zwar obligatorisch war, aber von meiner Seite anfänglich nur über ein simples Kopfnicken erfolgte. Schritt für Schritt konnte ich zu den Patient:Innen trotz Schwierigkeiten eine authentische und liebevolle Beziehung aufbauen.
Was hat sich seit damals geändert – was ist gleich geblieben in der Pflege?
Wenn ich zurückdenke und das hat mich bis dato wirklich geprägt, war damals meine Tätigkeit in der Pflege mit einer Notwendigkeit und einer Dringlichkeit verbunden. Demnach konnte man sagen, dass der Stellenwert der Patient:Innen sehr hoch war. Warum ich das erwähne: Erstens hatten wir viel mehr Zeit, uns dem Patienten zu widmen, zweitens war unsere Herangehensweise liebevoll und verständnisvoll zugleich. Vielleicht könnte man zusammenfassen, dass man vor 50 Jahren noch nicht den heute spürbaren Zeitdruck hatte. Denn sogar Gespräche mit Patient:Innen sowie der nachhaltige freundschaftliche Kontakt bleiben mir in Erinnerung.
Der Unterschied zu heute ist groß. Denn die Pflege von Patient:Innen ist mittlerweile moderner, technischer und dynamischer geworden. Das gesamte Personal arbeitet mittlerweile computergestützt, bzw. mit hochmodernster Technologie. Was heutzutage definitiv ein Problemfaktor ist, ist das Thema Ressourcen bzw. Zeit. Beispielsweise bleibt nicht einmal Zeit, um Patient:Innen richtig begrüßen bzw. verabschieden zu können.
Mit Blick auf kultursensible Zusammenarbeit - Was unterstützt neu angekommenen Pflegepersonen am meisten? Können Sie vielleicht konkrete Beispiele nennen?
Meiner Meinung nach ist es essenziell der nächsten Generation eine Stütze sowie Begleitung anzubieten, da sie alleine und unbegleitet nicht die gewünschte integrative Verhaltensweise in den Alltag bringen können. Des Weiteren sollte der Sprachkurs ausgedehnt werden und nicht zu knapp geplant sein. Eventuell wäre es gut, wenn schon vor Ort, zum Beispiel in Asien bereits eine kollaborative Vorbereitung zum Thema Pflege in Österreich gelehrt wird. Außerdem glaube ich fest daran, dass ein Mentoring System hilfreich bei der Einführung in die Arbeitsstelle sein kann.